Stellungnahme Novelle FFG/Acht-Punkte-Reformprogramm

Beim Deutschen Kinder Medien Festival Goldener Spatz kamen vom 4. – 10. Juni in Gera und Erfurt mehr als 350 Branchenvertreter:innen zusammen, um aktuelle audiovisuelle Medienproduktionen für Kinder zu sichten und sich bei Fachgesprächen/Networking Events über aktuelle Tendenzen und Projekte zu informieren und auszutauschen. In diesem Rahmen fand auch der nunmehr 17. Runde Tisch der Initiative Der Besondere Kinderfilm statt. Ein Zusammenschluss aus 26 Förderungen, Institutionen, Sendern und Verbänden, die sich aktiv für die Steigerung von Anzahl und Qualität originärer Kinderfilme in Kino und Fernsehen einsetzen. In den 10 Jahren des Bestehens der Initiative wurden 10 Kinderfilme produziert, die im In- und Ausland mehr als 100 Preise gewinnen konnten (darunter 2 Deutsche Filmpreise) und vielseitig ausgewertet wurden und werden. Drei weitere Projekte sind in Produktion, zwei in Produktionsvorbereitung und sechs in Stoff- bzw. Projektentwicklung.

Bei diesem Branchentreff wurde auch die Novelle des FFG intensiv diskutiert. Filme für Kinder werden im Acht-Punkte-Reformprogramm und im weiteren Diskurs um die Novelle nicht gewürdigt. So begrüßenswert der Kultur-Pass für 18-Jährige ist: 16,6% der deutschen Bürger*innen sind unter 18 Jahre alt (Stand: 31.12.2021 Quelle). Da sie nicht unmittelbar in politische Prozesse einbezogen sind, haben wir die Fürsorgepflicht, die Belange, Interessen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen in diesen Prozessen angemessen zu vertreten – auch bei der Filmförderung.

Zusammengefasst möchten wir folgende Aspekte in den Gesetzgebungsprozess einbringen:

  • In Punkt 2 der Rede von Kulturministerin Roth heißt es mit Bezug auf Dokumentar-, Kurz-, Nachwuchs- und künstlerische Filme u.a. „Sie sollen neue Formen filmischen Erzählens ermöglichen, sie sollen dokumentieren und experimentieren, uns sehen lehren“ (Quelle). Dies gilt in besonderem Maße für Filme, die das junge Publikum überhaupt erst mit Film und seinen vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten in Kontakt bringen; insofern müssen auch Kinderfilme diese besondere Aufmerksamkeit bei der Förderung genießen und ihren eigenständigen Platz in der Förderung bekommen.
  • Im Kontext der Weiterentwicklung der FFA zu einer Filmagentur (Punkt 4) werden auch bessere und mehr Daten zur Förderung und Verwertung angesprochen – bis dato werden Kinobesucher:innen ab 10 Jahren erfasst. Künftig sollten Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren in den regelmäßigen Untersuchungen zu Kinomarkt und Kinonutzung berücksichtigt werden. Ebenso sollte erfasst werden, wieviel Prozent der Förderung in Filme für Kinder- und Jugendfilme fließen. Zu beidem liegt aktuell kein öffentlich zugängliches Material vor.
  • Die Sehgewohnheiten in Deutschland haben sich u.a. durch die Präsenz der Streaminganbieter drastisch verändert, zusätzlich katalysiert durch die pandemiebedingten Kinoschließungen 2020/21. Damit im filmischen Ökosystem weiterhin ein vielseitiges Filmangebot überleben kann, ist dringend angeraten, innovative Wege zu gehen und eine Förderung für Modellprojekte zu Zuschauer:innenforschung und -bindung zu initiieren. Bezüglich Punkt 6 (Sichtbarkeit) und 7 (Diversität, Nachhaltigkeit, Geschlechtergerechtigkeit) möchten wir daher auf PublikumsFokus, einem Förderprogramm des Dänischen Filminstitutes verweisen, das 2020 an den Start ging: „PublikumsFokus ist ein neuer Förderpool, der für Dokumentarfilme, New Danish Screen und Spielfilme beantragt werden kann und der die Anzahl der Projekte erhöhen soll, die aktiv daran arbeiten, das Publikum näher an den Entwicklungs- und Produktionsprozess heranzuführen. Die Initiative wird auch den interdisziplinären Erfahrungsaufbau in der Publikumsforschung und Publikumsentwicklung in der Filmindustrie unterstützen.“ (Quelle) Resonanz und Erfolg sind bemerkenswert: Die Erfahrungen mit den 35 Filmen und Serien, die durch PublikumsFokus gefördert wurden, sind so positiv, dass das Förderprogramm 2022 verstetigt wurde und jährlich mit 2 Mio. DKK ausgestattet wird. In den kommenden Jahren soll der Schwerpunkt auf Projekte gelegt werden, die sich an Kinder, Jugendliche sowie junge Erwachsene richten; ebenso gilt das Augenmerk der Kinoauswertung. (siehe auch) Mit solch einem Instrument können sich die Empfänger:innen öffentlicher Mittel ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für Kinder und Jugendliche stellen.
    Eine Förderung für Modellprojekte würde auch in Deutschland zu dringend benötigten Impulsen führen. Die Auswertung von Filmen darf nicht erst nach der Abnahme des Schnitts beginnen. Sie sollte bereits ab dem Moment bedacht werden, in dem die Autor:innen das erste Wort in ihr Drehbuch schreiben. Wir brauchen Strategien, wie wir Filme für das Publikum aller Altersgruppen entwickeln, es einbeziehen und Wege, wie wir diese Filme letztendlich auch zu ihnen bringen können. Dieser Weg darf nicht erst am Ende des kreativen Prozesses beginnen.
    In diesem Zuge sollten zudem flächendeckend Projekte ins Leben gerufen werden, die von Grund auf Filmbildung so denken, dass sie alle Kinder und Jugendliche erreichen und somit auch ein Publikum der Zukunft abseits der Vorstellungen von weißen, gesunden, nicht behinderten, städtischen Akademiker:innenkindern aufbauen.

Wirtschaftlich wie kulturell bilden Kinderfilme eine wichtige Säule der Filmwirtschaft in Deutschland – diese Säule bei der Reform des FFG zu stärken und mehr Teilhabe zu ermöglichen sind wir der jungen Generation schuldig.
Erfurt, Juni 2023

gez.

Förderverein Deutscher Kinderfilm e.V. (FDK)
Vorstand: Johanna Faltinat, André Fetzer, Norbert Lechner, Anne Schultka
Projektleitung Der besondere Kinderfilm: Margret Albers, Katja Bock
Leitung Geschäftsstelle: Hanna Reifgerst

Folgende Mitglieder der Initiative Der besondere Kinderfilm unterzeichnen diese Stellungnahme:

  • AG Kino – Gilde der deutschen Filmkunsttheater e.V.
    Dr. Christian Bräuer, Vorstandsvorsitzender
  • AG Verleih
    Alexandre Dupont-Geisselmann, Vorstand
  • Allianz Deutscher Produzenten – Film und Fernsehen e.V.
    Maite Woköck, Sektionsvorsitzende Animation
  • Deutsche Kindermedienstiftung Goldener Spatz
    Elisabeth Wenk, Geschäftsführerin/Festivalleiterin
  • Film- und Medienstiftung NRW
    Christina Bentlage, Leitung Förderung/Prokuristin
  • FilmFernsehFonds Bayern
    Dr. Silvia Tiedtke, Förderreferentin Stoffentwicklung und Projektentwicklung
  • HDF – Hauptverband Deutscher Filmtheater e.V.
    Christine Berg, Vorstandsvorsitzende
  • HessenFilm und Medien
    Anna Schoeppe, Geschäftsführerin
  • Hessischer Rundfunk (HR)
    Patricia Vasapollo, Leitung Familie und Fiktion
  • KiKA – Der Kinderkanal von ARD und ZDF
    Dr. Astrid Plenk, Programmgeschäftsführerin
  • Kuratorium junger deutscher Film
    Mariana Schneider, Direktorin in Vertretung des Vorstandes
  • Mitteldeutsche Medienförderung (MDM)
    Claas Danielsen, Geschäftsführer
  • MFFV Mitteldeutscher Film- und Fernsehproduzentenverband
    Christoph Kukula, Vorstandsvorsitzender
  • Mitteldeutscher Rundfunk (MDR)
    Prof. Dr. Karola Wille, Intendantin & Anke Lindemann, Leitung Redaktion Kinder und Familie
  • Produzentenverband e.V.
    Marcel Lenz, Delegierter für Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt
  • Südwestrundfunk (SWR)
    Stefanie von Ehrenstein, Abteilungsleitung Kinder und Familienprogramm
  • Thüringer Staatskanzlei
    Malte Krückels, Staatssekretär für Medien und Europa und Bevollmächtigter des Freistaats beim Bund
  • Verband der Filmverleiher e.V. (VdF)
    Peter Schauerte, Geschäftsführer
  • Vision Kino gGmbH – Netzwerk für Film- und Medienkompetenz
    Leopold Grün, Geschäftsführer
  • Westdeutscher Rundfunk Köln (WDR)
    Matthias Körnich, Leiter Angebote Kinder, Jugend und Familie
  • Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)
    Michael Stumpf, Leitung Hauptredaktion Kinder und Jugend